Schützenschwegler

Die Tiroler Schützenschwegel

Eines der ältesten und urtümlichsten Instrumente ist die Schwegelpfeife. Diese einfache, hölzerne Querflöte, die seit dem 12. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum nachweisbar ist, hat sich im Alpenland, besonders im Salzkammergut aber auch in Tirol, bis heute in der Überlieferung erhalten. Die Pfeifen werden vom Drechsler erzeugt meistens aus Birnbaum, Zwetschke, Buchs oder Pfaffenkappl, die besten aber aus Eibe. Die Bohrung ist zylindrisch oder konisch. Mit nur sechs Grifflöchern kann eine Tonreihe von zweieinhalb Oktaven gespielt werden. Der Klang ist schrill und durchdringend, daher mit Begleitung einer Rührtrommel für die Tanzmusik und Marschmusik besonders geeignet.

In den Raitbüchern der Tiroler Städte stoßen wir immer wieder auf Ausgabeposten für Pfeifer und Trommler. Im Mittelalter war keine Lustbarkeit sowohl beim Adel als beim einfachen Volk denkbar, bei der nicht Schwegler und Trommler aufgespielt hätten. Schwegel und Trommeln waren auch die Instrumente der Landsknechte, die sie in das Feld begleiteten und das Lagerleben erheiterten. Beim österreichischen Herr ließ Maria Theresia der Pfeifermusik besondere Pflege angedeihen. Nach dem Reglement von 1749 hatte der Tambour die vorgeschriebenen Märsche zu schlagen und die Pfeifer mussten ihn mit lustigen Weisen „herzhaft“ begleiten. Manche dieser Melodien aus theresianischer Zeit liegen wohl den Märschen der Tiroler Schützenschwegler zugrunde.

Wie beliebt die Schwegel noch vor 200 Jahren war, zeigen zahlreiche Bilder aus der Zeit um 1800. Der Maler Placidius Altmutter(1780 – 1819), Zeitgenosse und Porträtist von Andreas Hofer hat das Tiroler Volk in seinen Lebensäußerungen genau beobachtet. Seine Wandbilder in einem Raum der Innsbrucker Hofburg zeigen ländliche Tanzszenen im Wirtshausanger, auch einen Hochzeitszug, bei denen Schwegelpfeifen gemeinsam mit Geige, Hackbrett und Bassgeige erklingen.

Auch die Schützen marschierten zu ihren Klängen, so auch beim Landsturm im Jahre 1809. Ein Gemälde von Altmutter zeigt Andreas Hofer im Kreise seiner Getreuen und einen Schützenzug angeführt von Schweglern und Trommlern vor der Schützenfahne.

Ebenso hatte die Schwegel am Schießstand ihren Platz. Nicht nur ein Bild von Altmutter weist darauf hin, sondern auch eine Beilage der Tiroler Schützenzeitung vom Jahr 1847, welche die alten Melodien zum Scheibenschießen am Schießstand von Kaltern, die den Einser, Zweier, Dreier, Vierer und Zentrumsschuss bezeichneten, enthält. Auch aus Oberbozen sind Schießstandmelodien überliefert. In der Zeitschrift „Der Schlern“, Jahrgang 1936 schreibt Anton Mackowitz: „Zu den Merkwürdigkeiten Oberbozens gehörte auch die Schützen- und Schießstandmusik, die bei Festschießen von einem Schwegler und einem Trommler aufgespielt wurde und zu der der Zieler zu tanzen hatte. … Bei jedem Schwarzschuss hatte der Zieler so oft um den Scheibenblock zu tanzen, als Kreise überschossen wurden, wozu die Spielleute zuerst ihre Einserweise, dann die Zweierweise usw. und zuletzt den Schlusssatz ertönen ließen… Der rotgekleidete Zieler am Ende der grünen Wiese um die Scheibe tanzend, dazu die reizende altertümliche Musik boten ein liebliches Bild…“

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Schwegel in Tirol überall viel gespielt. Reiseberichte von Ludwig Steub, sowie von August Lewalter schildern eindrucksvoll, wie die Tiroler Schützen auch zu festlichen Anlässen, Prozessionen oder Empfängen mit ihren Schwegeln aufgespielt haben. Erst das Aufkommen der sogenannten „türkischen Musik“, wie die Blechmusikkapellen genannt wurden, verdrängte die alte Marschmusik immer mehr.

Die Schützen bewahrten die Tradition ihrer Musik aber länger und so wurde ihre Kenntnis bis in die Gegenwart herübergerettet. Adalbert Koch hat in den Dreißigerjahren noch etliche alte Stücke aus der Überlieferung aufzeichnen können. Einer seiner Hauptgewährsleute war der weitum bekannte Weidach Seppl (Josef Heubacher 1868 – 1951), Bauer und Ehrenbürger der Stadt Schwaz, der als Schwegler mit dem Schwazer Landsturm 1809 immer wieder zu vaterländischen Feiern ausrückte.

 

Die Schützenkompanie Telfs hat sich dieser alten Tradition angenommen.

Seit 1983 begleiten die Telfer Schützenschwegler die Ausrückungen der Kompanie.

Besonders verdient gemacht um die Tiroler Schwegelweisen hat sich Adalbert Koch. In seinem Heft „Die Tiroler Schützenschwegel“ hat er zahlreiche Marschweisen für Schwegel und Trommel gesammelt. Karl Horak hat dieses Werk überarbeitet, in die heute übliche Schreibweise in D-Dur gebracht und durch zahlreiche weitere Melodien, Tänze und Jodler ergänzt.

Der Fortbestand der Schwegelpfeife wäre aber nicht denkbar ohne den Schwegelvater Hausa Schmidl, Orgelbauer und Tischlermeister aus Heiligenblut, zuletzt ansässig in Treffen bei Villach. Er hat tausende Instrumente erzeugt, sowohl in der Tiroler Form, nach der Vorlage einer alten Schwegelpfeife aus Nordtirol, als auch in der Salzkammergutform. Seine guten Instrumente, die er als großer Idealist auch sehr billig verkaufte, werden heute im gesamten Alpenraum und darüber hinaus gespielt. Am Ostermontag des Jahres 1999 ist er hochbetagt im Alter von 94 Jahren verstorben. Bis zum Schluss hat er an seinen Schwegelpfeifen gearbeitet.


Autor: Peter Reitmeir


Literatur:
Ludwig Steub: Drei Sommer in Tirol. München 1895.
August Lewalter: Tyrol vom Glockner zum Orteles, München 1833-35.
Adalbert Koch: Die Tiroler Schützenschwegel, Innsbruck 1959.
Karl Horak: Pfeifermusik aus Tirol, Innsbruck 1982.
Karl Magnus Klier: Volkstümliche Musikinstrumente in den Alpen, Kassel 1957.

 

Die Telfer Schützenschwegler

Im Sommer 1982 entstand in den Reihen der Schützenkompanie Telfs die Idee, Trommler auszubilden und Trommeln anzuschaffen, um bei Abwesenheit einer Musikkapelle im geordneten Schritt marschieren zu können. Man vergaß aber auch nicht, auf die weiter zurück reichende Tatsache, dass zu den Trommlern auch meistens Pfeifer gehörten, was durch zahlreiche Bilder aus der Zeit der Freiheitskriege und noch früher auf einem Bild des Skapulier-Jubiläums-Umgangs in Telfs von 1772 belegt ist. Dort werden die Schützen mit Trommeln und Pfeifen begleitet. (siehe Abbildung!) Die darauf abgebildete Fahne ist noch heute im Besitz der Schützenkompanie Telfs.

So begann eine kleine Schar von 6 Schweglern und 2 Trommlern mit dem Schuljahr 1982/83 den Unterricht. Die Trommler wurden von Herrn Krenn in der Musikschule Telfs unterrichtet, die Schwegler von Peter Reitmeir.

Die Trommeln wurden von Bgm.Helmut Kopp gestiftet, die Schwegelpfeifen beim „Schwegelvater“ Hausa Schmiedl in Treffen bei Villach gekauft. Zu ihm hatten wir noch viele Jahre ein freundschaftliches Verhältnis. Wir haben ihn auch mehrfach besucht.

Der Unterricht ging zügig voran, sodass bereits zum Sebastianitag (20. Jänner) 1983 vor den Schützenkameraden eine kleine Kostprobe gegeben werden konnte und am 12.2.1983 beim „Tiroler Ball“ in Wien der 1. öffentliche Auftritt stattfinden konnte.

Seither hat es zahlreiche Auftritte bei Schützenfesten, Kompanieversammlungen, Volksmusikveranstaltungen aber auch bei offiziellen Anlässen der Marktgemeinde Telfs gegeben. Auch beim „Tiroler Zapfenstreich“ von Florian Pedarnig haben wir wiederholt mitgewirkt. Beim großen Landesfestzug 1984 waren wir bereits dabei. Auch Im Gedenkjahr 2009 rückten wir wieder aus.

Es hat auch Fernsehauftritte, z.B. bei der Peter-Rapp-Show „Wer A sagt…“ am 4.4.1992 in Wien gegeben.

Auf der Folge 5 der CD-Serie „Durchs Tiroler Oberland“(1999) sind zwei Stücke der Telfer Schützenschwegler aufgenommen worden, ebenso auf der CD „Lieder der Freiheit“(2009).

Wir spielen vorwiegend die alten Tiroler Schwegelmärsche, wie sie durch Adalbert Koch, Karl Horak und andere in reicher Zahl überliefert sind. Auch einige neu entstandene Stücke sind dabei. Manchmal übernehmen wir auch einiges aus heute noch lebendigen Schwegeltraditionen, wie z.B. aus dem Salzkammergut.

 

Im Lauf der Jahre sind einige Schwegler und Trommler ausgeschieden, dafür sind wieder neue dazugekommen:

 

Wir würden uns freuen, wenn auch andere Kompanien wieder die Liebe zur ursprünglichen Art der Marschmusik der Schützen entdecken würden. Starthilfe dazu würden wir gerne geben.

 

Autor: Peter Reitmeir

Eine Darstellung der Skapulierprozession aus dem Jahr 1772 zeigt die Schützen von Hörtenberg mit Pfeifen und Trommeln.

 

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